Gemeinsam mit vielen anderen Verbänden wollen wir die von der EU-Kommission geplante Deregulierung verhindern
Was verbirgt sich hinter der Bezeichnung Neue Gentechnik? Und warum wird in der Öffentlichkeit gerade immer häufiger darüber debattiert?
Unter der Bezeichnung Neue Gentechnik (NGT) werden eine Vielzahl von molekularbiologischen Verfahren wie etwa CRISPR/Cas zusammengefasst, mit denen das Erbgut von Zellen im Vergleich zur „alten“ Gentechnik relativ präzise und schnell verändert werden kann. Das Versprechen dieser Neuen Gentechnik sind verbesserte Pflanzeneigenschaften, wie sie bisher mit herkömmlichen Züchtungsmethoden erreicht werden. Aus diesem Grund werden die Verfahren der Neuen Gentechnik auch als Neue Züchtungstechniken bezeichnet, die nicht mehr unter die Regulierungen von Gentechnik fallen sollen.
Denn die „alte“ Gentechnik unterliegt strengen Regulierungen, um möglichst viele Risiken auszuschließen. Dazu zählen zum Beispiel verpflichtende Zulassungsverfahren für mit Hilfe von Gentechnik gezüchteten Pflanzen, eine Kennzeichnungspflicht für die Wahlfreiheit der Verbraucher*innen, eine Prüfung der Risiken sowie eine Garantie der Koexistenz von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft. Unternehmen sollten auch für auftretende Schäden haften.
Die EU-Kommission will deregulieren – ein Geschenk an die Gentechnik-Lobby
Diese sehr sinnvollen Regulierungen sollen nun für die Neue Gentechnik wegfallen. Im Juli 2023 hat die EU-Kommission einen Gesetzesvorschlag eingereicht, der darauf abzielt, dass Produkte aus Neuen Gentechniken nicht mehr als Gentechnik bezeichnet und auch nicht mehr entsprechend reguliert werden sollen.
Seitdem wird nicht nur in EU-Gremien darüber diskutiert, sondern immer häufiger auch in der Öffentlichkeit. Umweltverbände wie die NaturFreunde Deutschlands sehen diesen Gesetzesentwurf sehr, sehr kritisch. Tatsächlich bewerten sie als ein Geschenk an die Gentechnik-Lobby.
Denn gerade weil mit Verfahren der Neuen Gentechnik gentechnische Veränderungen vereinfacht und beschleunigt werden können, sind die dabei erfolgten Eingriffe in das Erbgut wesentlich komplexer und deren Auswirkungen viel unberechenbarer. Auch sind diese Verfahren nicht so präzise wie beworben.
Die NaturFreunde Deutschlands lehnen den EU-Kommissionsvorschlag ab. Und stehen mit dieser Haltung auch nicht allein. Mit insgesamt 139 Verbänden haben die NaturFreunde dieses Positionspapier unterzeichnet.
Für den NaturFreunde-Bundesfachbereich Naturschutz, Umwelt und Sanfter Tourismus (NUST) ist die Verhinderung der geplanten Deregulierung der Neuen-Gentechnik-Verfahren eines der wichtigsten aktuellen Vorhaben. Während seiner Herbsttagung Ende November 2023 hat sich der Bundesfachbereich NUST intensiv mit der Neuen Gentechnik auseinandergesetzt und folgende NaturFreunde-Forderungen aufgestellt.
Das sind die Forderungen der NaturFreunde:
- Der aktuell in Brüssel verhandelte Gesetzvorschlag muss abgelehnt werden. Gemäß dem europäischen Vorsorgeprinzip und dem Umwelt- und Verbraucherschutz müssen die Neuen Gentechniken weiterhin als Gentechnik eingestuft werden und einem verpflichtenden Prüfungsverfahren unterliegen, da es zu viele offene Fragen zum Risiko gibt.
- Aus NGT-Pflanzen (mit Hilfe neuer Gentechnik gezüchtete Pflanzen) hergestellte Lebens- und Futtermittel müssen gekennzeichnet werden. Nur so ist die Wahlfreiheit der Konsument*innen gewährleistet.
- Gemäß dem Verursacherprinzip muss eine Haftung für Schäden durch Kontamination gewährleistet sein. Verursacher*innen könnten nicht mehr belangt werden, wenn NGT-Pflanzen ohne Zulassungsverpflichtung unkontrollierbar in die Umwelt gelangen würden und Einkreuzungen sowie Vermischungen stattfinden, wodurch eine Koexistenz verhindert wird.
- Unsere bäuerliche Landwirtschaft muss davor geschützt werden, dass das Saatgut und damit unsere Lebensgrundlagen infolge Patentierungen in den Händen weniger Großkonzerne liegen. Gefährliche Abhängigkeiten wären die Folge.
- Den Mitgliedsländern der EU muss die Möglichkeit eingeräumt werden, in ihrem Staatsgebiet den Anbau von NGT-Pflanzen zu verbieten (Opt-out-Regelung).
Wie können NaturFreund*innen die geplante Deregulierung verhindern?
Aktuell wird der Kommissionsvorschlag diskutiert. Im Dezember 2023 wurde er im Agrarministerrat der EU sowie im Agrarausschuss des EU-Parlaments beraten. Während der Agrarministerrat sich nicht einigen konnte, stimmte der Agrarausschuss dem Kommissionsvorschlag weitgehend zu.
Diese Position sollte nicht vom EU-Parlament übernommen werden. Voraussichtlich am 24. Januar 2024 wird der Gesetzesvorschlag im Umwelt- und Gesundheitssauschuss des EU-Parlaments diskutiert. Danach wollen sich Rat, Parlament und Kommission vor Beginn des Europawahlkampfs im Mai über eine NGT-Verordnung verständigen.
Geht mit dem NaturFreunde-Positionspapier auf die EU- und Bundestagsabgeordneten eurer Wahlkreise zu und fordert sie auf, sich in ihren Fraktionen für die Ablehnung des Kommissionsvorschlages einzusetzen.
Damit die geplante Deregulierung der Neuen Gentechnik noch verhindert wird.